Das Deutsche Kabarettarchiv
in der Landeshauptstadt Mainz
Das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz ist eine einzigartige Forschungsstätte und Quelle für Wissenschaftler:innen, Journalist:innen und Künstler:innen gleichermaßen. Es ist ein unverzichtbarer Anlaufpunkt für alle, die sich für die Geschichte und Entwicklung des Kabaretts, der Satire und Kleinkunst begeistern lassen wollen. Hier finden Besucher:innen nicht nur eine Fülle an Informationen, sondern auch ein lebendiges kulturelles Erlebnis. Neben informativen Führungen und spannenden Vorträgen bietet das Archiv regelmäßig Veranstaltungen und beherbergt ein charmantes, detailreiches Museum.
Wer das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz betritt, taucht unmittelbar in eine faszinierende Welt der Satire und des Humors ein. Die Besucher:innen können sich dem Zauber dieses Ortes kaum entziehen: Wohin der Blick auch fällt, überall begegnen einem die Großen und ganz Großen der Satire – darunter legendäre Namen wie Kurt Tucholsky, Werner Finck, Annemarie Haase, Hanns Dieter Hüsch, Liesl Karlstadt, Karl Valentin, Dieter Hildebrandt und Loriot. Diese beeindruckende Sammlung lässt die Herzen von Kabarettliebhabern höherschlagen und lädt zum Verweilen und Entdecken ein.
Das Archiv beherbergt eine schier unerschöpfliche Sammlung von Fotos, Plakaten, (Regie-)Büchern, Tonaufnahmen, Noten, Karikaturen, Manuskripten und Typoskripten. Zu den besonderen Exponaten gehören auch Urkunden sowie Vor- und Nachlässe berühmter Kabarettist:innen und Autor:innen. Diese kostbaren Dokumente und Artefakte füllen die Wände, Räume, Ordner und Regale im atmosphärischen Tonnengewölbe unter den historischen Kappendecken des Erdgeschosses des alten Proviant-Magazins der Stadt. Jede Ecke und jeder Winkel erzählt eine eigene Geschichte und bringt die Vergangenheit zum Leben.
Die rote Bar und die halbrunde Bühne zeugen vom ständigen Wunsch nach Publikumsnähe und Interaktion. Diese Räume atmen förmlich Geschichte und Kultur. Hier lebt das Kabarett in all seinen vielfältigen Spielformen und Facetten weiter, hier pulsiert die Kunst und begeistert immer wieder aufs Neue. Das Deutsche Kabarettarchiv ist weit mehr als ein Aufbewahrungsort. Es ist ein lebendiger Treffpunkt für Kulturinteressierte aller Generationen und ein Zentrum kreativer Inspiration für jeden.
Neben den festen Ausstellungen und Sammlungen organisiert das Archiv auch temporäre Ausstellungen und Sonderveranstaltungen, die aktuelle Entwicklungen und historische Perspektiven des Kabaretts beleuchten. Diese dynamischen Events bieten immer wieder neue Gründe für einen Besuch und fördern den Austausch zwischen Publikum, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen.
Das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz ist somit ein lebendiger Ort der Begegnung, des Lernens und der kulturellen Bereicherung, der seine Besucher:innen immer wieder aufs Neue fasziniert und inspiriert.
Wie es war
„Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt“. Dieser Werbeslogan trifft so sehr auf Reinhard Hippen zu. Schon als 14-Jähriger entdeckte Hippen aus dem niedersächsischen Leer seine Liebe zu Satire und Kabarett. Alles, was der spätere Grafik-Designer zur gesellschaftskritischen Satire in die Finger bekam, sammelte er — der Grundstock für das 1961 von ihm in Mainz gegründete Deutsche Kabarettarchiv. Dorthin hatte es ihn — heißt es — aus Verehrung für den hier lebenden Hanns-Dieter Hüsch verschlagen. Bis 1989 leitete Hippen das ständig wachsende Archiv und häufte Klassiker und Kuriositäten an. Die Fundgrube für Wissenschaftler und Forscher ging nach seinem Tode an die Stadt über und Jürgen Kessler, von Hause aus Jurist und ehemals in städtischen Diensten, übernahm die Leitung und entwickelte es als Kulturstiftung weiter, um die Schätze künftig mit finanzieller Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz und des Bundes zu hüten.
Mehr Infos zur Entstehungsgeschichte gibt es HIER!
Was wird gesammelt
Es gilt, die Gegenwart zu beobachten und richtig einzuordnen: Comedy ist als neuer Begriff in den 1990er Jahren populär geworden, ebenso „Stand-Up“ — beides mit dem satirischen Kabarett verwandt. Die Grenzen zur Comedy und zur Stand-Up Comedy sind oft fließend. Beim Kabarett bzw. Cabaret steht die Kritik an politischen Personen oder Ereignissen im Vordergrund, während Comedy und Stand-Up sich auch mit komischen Alltagssituationen ohne politischen Bezug beschäftigen.
Satire braucht die Kritik an Politik und Gesellschaft. Gute Satire ist stets der Versuch, etwas in der Welt zu kritisieren oder zu verändern. Dahinter steckt eine tiefere Aussage oder ein höherer Wert. Comedy braucht das nicht unbedingt. Da kann das Lachen auch als Wert an sich gelten. Kritischer Humor ist Humor mit Haltung – ob Comedy oder Kabarett.
Und was ist es denn nun — Comedy oder Kabarett? Längst ist Schubladendenken nicht mehr zeitgemäß, Grenzen verschwimmen. War es aber eigentlich nicht immer so? Theo Lingen beispielsweise. Er war ein Komiker mit kabarettistischen Zügen. Heinz Erhardt stand für unnachahmlichen Klamauk, das politisch-literarische anspruchsvolle Kabarett war dagegen eher bei Menschen wie Hanns Dieter Hüsch, Dieter Hildebrandt oder, um auch noch lebende Kabarettist*innen zu nennen: Matthias Richling, Simone Solga, Volker Pispers, Georg Schramm verankert. Ein Erich Kästner galt als „der leise Erzieher“ der Gesellschaft. Doch so absolutistisch ist das nicht zu verstehen. Hüsch z.B. sagte von sich selbst, er sehe sich als Entertainer. Er wollte nie ein „verquaster, versponnener Literat“ sein. „Ich wollte das immer mischen. Die Literatur mit der Poesie, die Poesie mit der Parodie und die Parodie mit der Klamotte, wenn sie gut ist. Da ist ja gar nichts gegen zu sagen. Das ist alte Kabarett-Tradition“. Und über die Comedy-Kabarett-Debatte sagte Hanns Dieter Hüsch: „Comedy und politisches Kabarett müssen gleichberechtigt nebeneinander existieren. Man darf Kabarett dabei ganz und gar nicht in Schwarz und Weiß einteilen. Nur mit der großen Mischung von vielen Persönlichkeiten erhält sich das Genre auch über viele viele Jahrzehnte hinweg“.
Kabarett hat eine ausgesprochen wechselvolle Geschichte, war schon immer mal sehr politisch, mal rein unterhaltend. In den 2010er Jahren sah es gar so aus, als ob politisches Kabarett nicht mehr up to date ist, weil „dröge und angestaubt“. Tatsächlich? Denkt man die junge Generation Kabarettist*innen wie z.B. Anny Hartmann, Hazel Brugger oder Nico Semsrott, kann die Antwort nur ganz klar „Nein“ heißen. In den Worten des Kabarett-Historikers Volker Kühn: „Das Kabarett war schon totgesagt, als es gerade geboren war, tatsächlich ist es noch immer eine quicklebendige Leiche.“ Kabarett ist so vielschichtig in seinen Erscheinungs- und Darstellungsformen. Es kann politisch, ironisch, provokant, zynisch, satirisch, sarkastisch, musikalisch, parodistisch, aber trotz allem auch albern und lustig sein.
„Poetry Slam“ ist auch so eine Bewegung der 1990er Jahre, begeistert Jung und Alt. Gab´s ganz früher schon mal, nannte sich da „Dichterwettstreit“. Nun die moderne Auferstehung, ganz wunderbar und natürlich auch im Radar des Kabarettarchivs: Die deutschsprachige Poetry-Slam-Szene gilt als eine der größten der Welt. Nicht zuletzt erwachsen auch aus dieser Szene wieder etliche wunderbare Kabarettisten…
Das Archiv
Das sich Öffnen für Gegenwart und Zukunft beinhaltet natürlich auch, einen Weg zu finden, in dem sich unterschiedliche Generationen, Kulturen und gesellschaftliche Gruppierungen humorvoll begegnen können. Unterschiedliche Generationen lachen über unterschiedliche Dinge. Das sogenannte „etablierte Kabarettpublikum“ kennt noch die Großen und ganz Großen der Satire, ist mit ihnen aufgewachsen, hat sie den/die ein oder andere(n) selbst noch auf der Bühne erlebt. Diese Generation geht mit ganz anderen Augen durch das Kellergewölbe des Archivs und erinnert sich. Doch es gilt auch die junge Generation zu erreichen und für die „Schatztruhe Deutsches Kabarettarchiv“ zu begeistern. Zu vermitteln, dass sich das „Damals“ vom „Heute“ gar nicht so unterscheidet. Und doch auch wieder sehr. Und das das Kennenlernen vom „Damals“ eine äußerst spannende Sache sein kann. Zum Beispiel im Vergleich mit dem „Heute“.
Letztendlich ist die Satire, seine Erscheinungsform durch alle Zeitabläufe hindurch, ein Stück unserer Kulturgeschichte. Die Welt ist schneller geworden. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich Menschen in den sozialen Medien anonym beschimpfen und mit Hass und Häme überziehen. Gute Satire hingegen wird immer versuchen, sich von diesen Tendenzen nicht blind mitreißen zu lassen, weil gute Satire etwas verbessern will — das war früher so und gilt auch heute noch. Satire hat Grenzen. Aber jeder zieht sie woanders, jeder ist irgendwo „politisch korrekt“. Die Welt ist verrückter geworden. Politiker werden Komiker und Komiker werden Politiker. Das macht es für Satiriker ungleich schwerer, weil satirische Stilmittel wie Übertreibung, Verfremdung oder Provokation u.a. auch von Populisten missbräuchlich eingesetzt werden.
Spaß ohne Staub – Wie es wird
Das Deutsche Kabarettarchiv ist so viel mehr als verstaubte Akten, Wollmäuse, die über den Boden fliegen und verstorbene Künstler*innen in Ordnern und auf Datenträgern. Es ist ein Archiv, ja. Aber auch ein Museum über das Kabarett und kabarettverwandte Themen. In jedem Falle ist es eine Informations‑, Veranstaltungs- und Begegnungsstätte. Hier darf nach Herzenslust der Wissensdurst gestillt, gelacht, gestaunt, gequatscht, geschimpft, diskutiert, sich angeregt und wohlgefühlt werden. Man trifft sich spätestens an der Kabarett-Bar. Wir Menschen sind soziale Wesen, die die Gemeinschaft und die Wertschätzung anderer brauchen. Deshalb wird es das Bedürfnis nach Live-Erlebnissen immer geben. Und deshalb soll das Archiv für alle, die diesem besonderen Bühnengenre Kabarett wie auch immer zugeneigt oder nur irgendwie darauf neugierig sind, ein Ort sein, der — wenn möglich mit allen Sinnen — zeitgemäß erlebbar ist.
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