Archiv-Geschichte
Hippen
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Die Wurzeln des Deutschen Kabarettarchivs liegen in Ostfriesland. Der 1942 in Leer geborene Reinhard Hippen entwickelt, auch mangels anderer kultureller Möglichkeiten vor Ort, mit vierzehn Jahren eine Leidenschaft für die elfte Muse und wendet sich an die in seiner Heimatstadt gastierenden Solisten und Ensembles mit der Bitte um Materialien jeder Art.
Den Grundstein der zunächst in Schuhkartons verwahrten Sammlung bilden 1958 ein signiertes Programmheft der Kieler ‘Amnestierten‘ sowie ein Autogramm des in Mainz lebenden Kabarett-Poeten Hanns Dieter Hüsch. Nach Abschluss einer Lehre als Dekorateur, trampt Hippen 1961 nach Paris, um für eine Weile ein Leben als freier Künstler und Bohemien auf dem Montmartre zu führen. Geldmangel auf dem Rückweg bedingt einen Zwischenhalt in Mainz, wo er Kulissenschieber am Städtischen Theater wird. Er beschließt, an der dortigen Werkkunstschule die Fächer Grafik-Design und visuelle Kommunikation zu studieren. Später, nun an der Fachhochschule, wird er dort für einige Zeit Dozent.
Mit dem 25. Oktober 1961 beginnt in Mainz die offizielle Geschichte des Deutschen Kabarettarchivs. Kurze Zeit davor hatte der Hannoveraner ‘LeidArtikler‘ Dietrich Kittner einen Brief an das „Deutsche Kabarett-Archiv“ adressiert. Stolz behält Hippen diese Bezeichnung bei. Mitte der sechziger Jahre wird aus dem Hobby eine von der Tätigkeit als Grafiker finanzierte Passion. Hippen knüpft Kontakt mit bis zu fünfzig Antiquariaten, nutzt Mediendienste, wertet selbst Zeitungen und Zeitschriften aus, wendet sich an die Künstler. Untergebracht ist das Archiv weiterhin in seinen verschiedenen, wegen des steigenden Platzbedarfs immer größer werdenden Privatwohnungen in der Wallaustrasse, Schillerplatz, Am Viktorstift und Schusterstraße.
Anfang der siebziger Jahre wächst der systematisch erfasste Bestand auf zehntausend Bücher an, tausendfünfhundert Tonträgern, rund tausend Ordner. Laufende Kosten: 3.500 DM monatlich. Nicht länger hat Hippen ein Archiv, vielmehr hat das Archiv jetzt ihn. Wobei die Finanzierung sich zunehmend als schwierig erweist, trotz Unterstützung durch das Land Rheinland-Pfalz, verschiedene Fernseh- und Rundfunkanstalten, oder Spenden einzelner Künstler. So hilft der von der Idee eines Kabarettarchivs tief beeindruckte Werner Finck seit 1971 mit 600 DM monatlich aus und versucht zur finanziellen Stabilisierung 1973 einen Freundeskreis zu initiieren.
Ende 1975 macht Hippen seine durch Aufbau und Unterhalt des Archivs entstandenen finanziellen Probleme publik, verbunden mit der Bitte um Unterstützung. Ein Förderkreis unter Vorsitz von Guy Walter wird gegründet, die Benefiz-Veranstaltung ‘Festival für Fans‘ organisiert, bei der u.a. Hanns Dieter Hüsch, Helmut Ruge und Herbert Bonewitz auftreten.
Dank des damaligen Oberbürgermeisters Jockel Fuchs und dem Kultur-Dezernenten Dr. Anton Maria Keim, stellt die Stadt Mainz ab 1976 mietkostenfreie Räume im neuen Rathaus zur Verfügung. Das Archiv, nun nicht mehr privat untergebracht, ist eine halböffentliche Einrichtung geworden.
Im Mai 1980 zog das Archiv in eine 220 qm große Altbauwohnung in der Rheinstraße 48 um. Mit städtischer Unterstützung wurde der Raum 1986 auf zwei Stockwerke erweitert. Zudem wurde eine Halbtagskraft für Büroarbeiten eingestellt. Ab 1985 erhielt Reinhard Hippen eine Subvention von jährlich 60.000 DM, um die Arbeit des Archivs zu sichern.
Die ersten Ausstellungen entstanden ebenfalls mit Unterstützung der Stadt. 1979 präsentierte das Archiv „Das Chanson“, 1981 folgte zum 80. Geburtstag des Kabaretts die Ausstellung „Sich fügen heißt lügen“. 1985 wurde die Ausstellung „Mit Hammer und Harfe – Kleine Bildergeschichte des Kabaretts“ eröffnet.
1985 startete Reinhard Hippen im „unterhaus“ die Talkreihe Kabarettgeschichte(n). Bis 1998 waren fast dreißig Künstlerinnen und Künstler zu Gast, darunter bekannte Persönlichkeiten wie Evelyn Künnecke und Ralf Wolter.
Obwohl Hippen weiterhin einen Großteil der Kosten aus eigener Tasche bestritt, wuchsen die finanziellen Anforderungen. Im Mai 1989 übernahm die Stadt Mainz das Deutsche Kabarettarchiv. Unter der Leitung des Juristen Jürgen Kessler wurden zwei Planstellen geschaffen: Marion Ringl für den technischen Archivdienst und Marion Meisenzahl für die Verwaltung. 1990 wurde eine weitere Planstelle für Reinhard Hippen eingerichtet, sodass er seine Arbeit im Archiv fortsetzen konnte.
Mitte der 1990er Jahre geriet die alleinige Finanzierung des Deutschen Kabarettarchivs durch die Stadt Mainz an ihre Grenzen. Um die wachsenden Anforderungen zu erfüllen, wurde die Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz entscheidend. 1997 konnte erstmals ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, Matthias Thiel, eingestellt werden. Damit verfügte das „Amt 48“ über fünf feste Planstellen, ergänzt durch Werkverträge und Aushilfsstellen.
1997 konnte dank der Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz erstmals ein wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt werden: Matthias Thiel. Dadurch wuchs das Personal von „Amt 48“ auf fünf feste Planstellen. Zusätzlich wurden Werkverträge und Aushilfsstellen eingerichtet, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Ein Partnerschaftsvertrag zwischen der Stadt Mainz und dem Land Rheinland-Pfalz im April 1997 ebnete den Weg für einen rechtsfähigen Trägerverein. Die Stadt stiftete die Sammlung, während das Land einen Kapitalstock aufbaute. Am 1. April 1998 wurde die Stiftung Deutsches Kabarettarchiv ins Vereinsregister eingetragen. Der Leiter des „Amtes 48“ übernahm die Geschäftsführung der Stiftung, und die bestehenden Arbeitsverträge wurden auf den neuen Trägerverein übertragen, wobei die Stadt weiterhin als Arbeitgeber agierte.
Im Jahr 2004 begann ein entscheidender Schritt für die Weiterentwicklung des Archivs: der Umzug ins „Proviant-Magazin“. Nach sorgfältiger Vorbereitung wurden die umfangreichen Bestände – bestehend aus zigtausend Ordnern, Büchern und Schallplatten – aus der Rheinstraße 48 systematisch verpackt. Nur knapp zwei Kilometer entfernt fanden die Bestände auf einer Fläche von 900 m² einen neuen, modernen Standort.
Die neue Infrastruktur ermöglichte eine verbesserte Organisation. Die Materialien wurden in neuen Stellregalen untergebracht, um im manuellen Such- und Find-System des Archivgründers auch künftig den wissenschaftlichen Zugriff sicherzustellen. Das Proviant-Magazin bot optimale Bedingungen, um die wertvolle Sammlung des Deutschen Kabarettarchivs zu bewahren und zugänglich zu machen.
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