Unzusammenhängendes zusammenhängen

Der Architekt und Bildhauer Andreas Dilthey ist der Erbauer der Blechbüchsenkuchenformeisenbahn, die am 3. Mai 1993 vor die Wohnungstür von Hanns Dieter Hüsch stellte. Er hatte dem Kabarettisten schon sehr lange etwas schenken wollen, weil der ihm auch so viel schenkte mit seinen Worten und Texten, die stets seine Seele und sein Herz immer wieder auf´ s Neue erfüllten. „Denn ich finde es so schön, was sie machen, dichten und schreiben, nicht alles, aber vieles, da ist so viel Herz & Liebe, Trauer, Trost + Heiterkeit darin, das macht mich froh, gibt mir Mut, Wärme & Hoffnung“, schreibt Dilthey in seinem Brief, den er seinem Geschenk beilegte. Die zusammengewürfelte Konstruktion der Eisenbahn spiegelt die Welt mit seinen Gegensätzen, aber auch das undogmatische Kabarett des Hanns Dieter Hüsch wieder. „Zugucken, zuhören, aufschreiben, vortragen – das ist das ganze Geheimnis, wie ich es betreibe“, sagte Hüsch einmal über seine Kunst. Allerdings, so ergänzte der gebürtige Niederrheiner, versuche er dabei auch immer wieder „unzusammenhängende Zusammenhänge zusammenzuhängen“.
Dilthey nimmt in seinem Brief auch Bezug auf Hüsch´s Autobiographie. Darin sind die Gedankengänge und Erinnerungen des Kleinkunst-Tramps niedergeschrieben und die Beschreibung der Welt mit seinen Gegensätzen, die Andreas Dilthey zutiefst berührte. „Wir sterben an Erinnerung, habe ich einmal kühn behauptet“, so Hanns Dieter Hüsch, „ich gehe und fahre durch die Welt, ich komme und gehe wieder“.1 Als vielbeschäftigter Kabarett-Nomade, der stets unterwegs war, viel fuhr und viel ging, hatte der gebürtige Moerser eine besondere, anfänglich leidgeprüfte Beziehung zu seinen Füßen. Denn bis zum Alter von 14 Jahren musste er sich wegen einer Missbildung seiner Füße mehreren Operationen unterziehen. Er war gezwungen, in unförmigen Filzpantoffeln herumzulaufen, da ihm keine Schuhe passten, und er konnte dadurch kaum mit anderen Kindern spielen. Als sportliche Betätigung waren ihm allenfalls Schwimmen und Radfahren möglich. Und so saß er oft auf dem Fußboden und schaukelte sich träumend in seine ureigene Welt, die mitten in seinem Herzen saß. „Ich muß schon ein Assoziations-Embryo gewesen sein. Sprünge, Brechungen, Weithergeholtes mischen, nahliegendes, Banales und Transzendentes ständig zu mischen und wieder zu zerlegen, das war immer meine Vorliebe, meine Spezialität. Gassenhauer und Choral, Spottvers und Bibelstelle, Unterhaltung und Philosophie, und im Leben: Küche und Kirche, Heilige und Huren, Freunde und Feinde. Und alles ganz schnell vorüberziehen lassen, wie einen großen Kreuzzug mit Narren und heimatlosen, entsprungenen Mönchen und büßenden leichten Mädchen, siehe Maria Magdalena“.2
1 Hanns Dieter Hüsch: Du kommst auch drin vor – Gedanken eines fahrenden Poeten. Kindler, 1990, ISBN 3–463-40124‑X (Autobiografie), 2Seite 42
Der Fan heute: Heimat, Hühner und hehre Ideale
Ziegen, Enten, frei laufende Hühner und Esel: Auf dem Hof „Vier Linden“ leben Mensch und Tier zusammen. Vor 40 Jahren realisierte der große Hanns Dieter Hüsch-Fan und Blechbüchsenkuchenformeisenbahnbauer Andreas Dilthey sich seinen Traum. „Es geht mir einfach darum eine Gemeinschaft zu erschaffen, in der ein harmonisches, sinnerfülltes Leben im Einklang mit der Natur möglich wird“, sagt er. Damals in den 1970er Jahren, noch Student der Architektur, investierte er geerbtes Geld in ein Grundstück im Aachener Nord-Westen. Im Laufe der Jahre baute er daraus ein Paradies mit Häusern in von ihm entwickelter Lehmbauweise und gründete einen ökologischen Bauernhof. Mit einer Kapelle, einem Ententeich, den Ställen und viel Weidefläche. Das Gemüse wird selbst angebaut, ein Kräutergarten ersetzt den Gang zur Apotheke, die Eier kommen aus dem eigenen Hühnerstall. Das zu nutzen, was man schon hat, ist eine seiner Lebensphilosophien. Um auch jungen Menschen zu zeigen, dass diese Art der Selbstversorgung heutzutage möglich ist, leben zeitweilig Praktikanten gegen Kost und Logis in der Hofgemeinschaft, um beim Ernten und bei der Tierzucht zu helfen.
Dilthey verehrt den 2005 verstorbenen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch nach wie vor. Leider kann er jetzt nicht mehr bei ihm „irgendwo hinten in den Reihen sitzen und schmunzeln und sich einen schönen Abend machen“. Das Kabarettgeschehen verfolgt er aber immer noch. Jeden Samstag ab 15 Uhr im Radioprogramm des WDR. Und die Dosen-Mobile erleben gerade eine Renaissance. Baute er sie früher für Kinder und Enkel, werden sie jetzt zu einer willkommenen kleinen Einnahmequelle.