Kabarettistin Gisela Grube in Dresden gestorben
Sie war der „Klein-Kunst-Christus“ der DDR. Als gläubige Katholikin hat sich Gisela Grube im Parteilehrjahr an der Herkuleskeule, das auch für die nicht SED-Mitglieder Pflicht war, so manches anhören müssen, was sich gegen den „Klerus“ und die „Popen“ richtete. Mehrfach hatten Kabarett-Kollegen ihr zu verstehen gegeben, dass sie sich mit ihrem Glauben im tiefsten Mittelalter befände. Als Ausgleich gründete sie sehr zum Ärger der Parteileitung der Herkuleskeule 1968 die Dekana(h)tlosen, ein Amateurkabarett des Bistums Dresden-Meißen. Bis 1993 betreute sie die Gruppe, führte Regie und schrieb nahezu alle Texte.
Vor allem aber war Gisela Grube an der Herkuleskeule Kabarettistin, und das seit Dezember 1961. In nahezu jedem der bis zu ihrem Ausscheiden 1993 aufgeführten mehr als vierzig Programme war die im thüringischen Suhl geborene Gastwirtstochter in einer Vielzahl von Rollen zu erleben. Fotos zeigen sie unter anderem als Erntehelferin, Dame von Welt und Halbwelt, Erste-Hilfe-Helferin, Sekretärin, Pflaumenverkäuferin, Haus- und Großmutter, in diversen Clownsrollen und immer wieder mit ihren Kollegen als singende und klingende „Arzgebirglerin.“
Ihr Handwerk hatte die Grube gelernt. Mit dem in schönster Suhler Mundart vorgetragenen „Mei Ruh‘ ist hin…“, dem Gretchen Monolog aus Faust, hatte sie sich 1942 am Landestheater Meiningen vorgestellt, wurde, vielleicht gerade deshalb, an der dortigen Schauspielschule aufgenommen und gleichzeitig als Elevin engagiert. Unmittelbar nach Kriegsende zog sie mit diversen Wanderbühnen, so auch der Chiemseer Bauernbühne durch die Dörfer Mitteldeutschlands, um nach kurzen Engagements in Burgstädt und Erfurt 1954 am Kleist-Theater in Frankfurt/Oder zu landen. Dort bekam sie, weil sie in Meiningen „ein bisschen tanzen und ein bisschen singen gelernt“ hatte, einen Vertrag als Tanz-Soubrette. In Lustspielen war sie mehrfach Bühnenpartnerin von Rolf Herricht und als Prinz Orlofsky – ein Kritiker bescheinigte ihr sogar einen „schlanken Sopran“ – feierte sie ihren größten Frankfurter Bühnenerfolg.
Mit 36 Jahren wollte Gisela Grube mal etwas anderes machen. Kollegen meinten, dass sie fürs Kabarett geeignet sei, und so bewarb sie sich am Dresdner Staatsschauspiel, zu dem die Herkuleskeule damals gehörte. Dort bildete sie zusammen mit dem schauspielernden Direktor Manfred Schubert und dem von den Dresdnern noch heute hochverehrten Hans Glauche für viele Jahre den Kern des überaus erfolgreichen Ensembles.
In Vorbereitung des 40. Jahrestages der DDR – die Staatsmacht bröselte seit Monaten auch in Dresden – bekam sie mit „VORSICHT GRUBE!“ endlich die Gelegenheit für ein eigenes Programm. Gegenstand waren als Dialog angelegte Gespräche zu aktuellen Problemen zwischen einer Christin und einem Marxisten, unter damaligen Bedingungen ein für die Kabarettbühne gewagtes Unterfangen. In einem späteren Interview zu den Demonstrationen in Dresden im Herbst 1989 befragt schildert sie: „Ich konnte von meiner Wohnung aus die Szenen auf der Prager Straße beobachten – wie die Leute niedergeknüppelt wurden. Ich war wie gelähmt, wollte kündigen. Als am Sonntag drauf die Demonstration friedlich ablief, war mir, als würde ein Eisenring gesprengt, der mich umschlossen hatte.“
Wochen später, am 9. Dezember, war Premiere von „VORSICHT GRUBE! – von und mit Gisela Grube und Manfred Breschke“, wie auf dem Programmzettel verzeichnet. Beide Darsteller, auf der Bühne wie im realen Leben Christin und Marxist, loteten sich und ihre Weltanschauungen gegenseitig aus. Sie zitierte aus dem Neuen Testament, er aus den Schriften von Marx und Engels. Sie kam mit Kardinal Bengsch, er mit Gorbatschow. Zwei Zeitgeister lagen miteinander im versöhnlichen Streit, den die katholische Gisela Grube mit dem an ihren marxistischen Kollegen und an das aufmerksame Publikum gerichteten Satz beendete: „Fürchtet euch nicht, denn ich bin bei euch!“