
Das Deutsche Kabarettarchiv
Archiv | Museum | Bühne
ist eine Forschungsstätte und Quelle für Wissenschaftler:innen, Journalist:innen wie auch für Künstler:innen. Und für alle Kabarett- und Geschichtsbegeisterten. Neben Führungen und Vorträgen bietet es Veranstaltungen und ein feines Museum.
Wer das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz besucht, kann sich dem Zauber dieses Ortes kaum entziehen: Wohin der Besucher auch blickt, überall begegnen ihm die Großen und ganz Großen der Satire – Kurt Tucholsky, Werner Finck, Annemarie Haase, Hanns Dieter Hüsch, Liesl Karlstadt, Karl Valentin, Dieter Hildebrandt, Loriot und so viele mehr…
Unzählige Fotos, Plakate, (Regie-)Bücher, Tonaufnahmen, Noten, Karikaturen, Manu- und Typoskripte, besondere Exponate, Urkunden sowie Vor- und Nachlässe berühmter Kabarettist*innen/Autor*innen füllen Wände, Räume, Ordner und Regale im Tonnengewölbe unter den Kappendecken im Erdgeschoß des historischen Proviant-Magazins der Stadt. Die bunte Bar und die kleine Bühne zeugen vom Wunsch nach Publikumsnähe. Diese Räume atmen Geschichte. Hier lebt das Kabarett in all seinen Spielformen, hier atmet die Kunst.
Willkommen!
Schauen Sie rein. Hören Sie zu. Sprechen Sie uns an.
Oder gehen Sie einfach selbst auf Endeckungstour.
Wie es war + -
„Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt“. Dieser Werbeslogan trifft so sehr auf Reinhard Hippen zu. Schon als 14-Jähriger entdeckte Hippen aus dem niedersächsischen Leer seine Liebe zu Satire und Kabarett. Alles, was der spätere Grafik-Designer zur gesellschaftskritischen Satire in die Finger bekam, sammelte er — der Grundstock für das 1961 von ihm in Mainz gegründete Deutsche Kabarettarchiv. Dorthin hatte es ihn — heißt es — aus Verehrung für den hier lebenden Hanns-Dieter Hüsch verschlagen. Bis 1989 leitete Hippen das ständig wachsende Archiv und häufte Klassiker und Kuriositäten an. Die Fundgrube für Wissenschaftler und Forscher ging nach seinem Tode an die Stadt über und Jürgen Kessler, von Hause aus Jurist und ehemals in städtischen Diensten, übernahm die Leitung und entwickelte es als Kulturstiftung weiter, um die Schätze künftig mit finanzieller Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz und des Bundes zu hüten.
Wie es ist + -
Seit 2019 ist Martina Keiffenheim die Leiterin des Deutschen Kabarettarchivs. Bis 2021 war die Journalistin auch Intendantin einer eigenen Kabarettbühne, der KleineKUNSTBÜHNE in Saulheim.
Noch immer ist die zentrale Aufgabe des Kabarettarchivs die vielfältigen Erscheinungsformen der Satire – ob politisches (Parodien, Satiren und Sketche), poetisches, literarisches (Gedichte, Lieder und Prosatexte) Kabarett – fortlaufend zu archivieren, wissenschaftlich zu erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Nutzer, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, Buchautor*innen, Künstler*innen, kommen aus der ganzen Welt. Doch die gesammelten „Dokumente geschärften Geistes“ werden nun verstärkt auch durch crossmediale Vermittlung, eigene, zeitgemäße Ausstellungen, entsprechende Veranstaltungen und durch Netzwerkeln mit Künstler*innen, Veranstalter*innen und Bühnen in ganz Deutschland in die Köpfe der Heutigen gebracht. Denn nun heißt „Bewahren“ explizit: „Nicht Stehenbleiben. Offen sein und bleiben!“
Das betrifft auch die Dependance in Bernburg an der Saale. Seit 2004 wird dort fleißig die Kabarettgeschichte der DDR dokumentiert und gezeigt, was die zahlreichen Profi- und Amateurkabaretts in 40 geteilten Jahren produziert haben. Gerade in der DDR spielte Kabarett eine große Rolle. Es hatte eine wichtige Ventilfunktion im autoritären Staat, wurde dort sogar gefördert. Das noch eher zarte Pflänzchen „Ost-Deutsches Kabarettarchiv“ — zurzeit räumlich beengt untergebracht im Erdgeschoß — zieht aktuell in die oberen Stockwerke im Christianbau des wunderschönen Bernburger Schlosses um, wird dort weiter entwickelt und expandieren.
Was wird gesammelt + -
Es gilt, die Gegenwart zu beobachten und richtig einzuordnen: Comedy ist als neuer Begriff in den 1990er Jahren populär geworden, ebenso „Stand-Up“ — beides mit dem satirischen Kabarett verwandt. Die Grenzen zur Comedy und zur Stand-Up Comedy sind oft fließend. Beim Kabarett bzw. Cabaret steht die Kritik an politischen Personen oder Ereignissen im Vordergrund, während Comedy und Stand-Up sich auch mit komischen Alltagssituationen ohne politischen Bezug beschäftigen.
Satire braucht die Kritik an Politik und Gesellschaft. Gute Satire ist stets der Versuch, etwas in der Welt zu kritisieren oder zu verändern. Dahinter steckt eine tiefere Aussage oder ein höherer Wert. Comedy braucht das nicht unbedingt. Da kann das Lachen auch als Wert an sich gelten. Kritischer Humor ist Humor mit Haltung – ob Comedy oder Kabarett.
Und was ist es denn nun — Comedy oder Kabarett? Längst ist Schubladendenken nicht mehr zeitgemäß, Grenzen verschwimmen. War es aber eigentlich nicht immer so? Theo Lingen beispielsweise. Er war ein Komiker mit kabarettistischen Zügen. Heinz Erhardt stand für unnachahmlichen Klamauk, das politisch-literarische anspruchsvolle Kabarett war dagegen eher bei Menschen wie Hanns Dieter Hüsch, Dieter Hildebrandt oder, um auch noch lebende Kabarettist*innen zu nennen: Matthias Richling, Simone Solga, Volker Pispers, Georg Schramm verankert. Ein Erich Kästner galt als „der leise Erzieher“ der Gesellschaft. Doch so absolutistisch ist das nicht zu verstehen. Hüsch z.B. sagte von sich selbst, er sehe sich als Entertainer. Er wollte nie ein „verquaster, versponnener Literat“ sein. „Ich wollte das immer mischen. Die Literatur mit der Poesie, die Poesie mit der Parodie und die Parodie mit der Klamotte, wenn sie gut ist. Da ist ja gar nichts gegen zu sagen. Das ist alte Kabarett-Tradition“. Und über die Comedy-Kabarett-Debatte sagte Hanns Dieter Hüsch: „Comedy und politisches Kabarett müssen gleichberechtigt nebeneinander existieren. Man darf Kabarett dabei ganz und gar nicht in Schwarz und Weiß einteilen. Nur mit der großen Mischung von vielen Persönlichkeiten erhält sich das Genre auch über viele viele Jahrzehnte hinweg“.
Kabarett hat eine ausgesprochen wechselvolle Geschichte, war schon immer mal sehr politisch, mal rein unterhaltend. In den 2010er Jahren sah es gar so aus, als ob politisches Kabarett nicht mehr up to date ist, weil „dröge und angestaubt“. Tatsächlich? Denkt man die junge Generation Kabarettist*innen wie z.B. Anny Hartmann, Hazel Brugger oder Nico Semsrott, kann die Antwort nur ganz klar „Nein“ heißen. In den Worten des Kabarett-Historikers Volker Kühn: „Das Kabarett war schon totgesagt, als es gerade geboren war, tatsächlich ist es noch immer eine quicklebendige Leiche.“ Kabarett ist so vielschichtig in seinen Erscheinungs- und Darstellungsformen. Es kann politisch, ironisch, provokant, zynisch, satirisch, sarkastisch, musikalisch, parodistisch, aber trotz allem auch albern und lustig sein.
„Poetry Slam“ ist auch so eine Bewegung der 1990er Jahre, begeistert Jung und Alt. Gab´s ganz früher schon mal, nannte sich da „Dichterwettstreit“. Nun die moderne Auferstehung, ganz wunderbar und natürlich auch im Radar des Kabarettarchivs: Die deutschsprachige Poetry-Slam-Szene gilt als eine der größten der Welt. Nicht zuletzt erwachsen auch aus dieser Szene wieder etliche wunderbare Kabarettisten…
Willkommen im Archiv + -
Das sich Öffnen für Gegenwart und Zukunft beinhaltet natürlich auch, einen Weg zu finden, in dem sich unterschiedliche Generationen, Kulturen und gesellschaftliche Gruppierungen humorvoll begegnen können. Unterschiedliche Generationen lachen über unterschiedliche Dinge. Das sogenannte „etablierte Kabarettpublikum“ kennt noch die Großen und ganz Großen der Satire, ist mit ihnen aufgewachsen, hat sie den/die ein oder andere(n) selbst noch auf der Bühne erlebt. Diese Generation geht mit ganz anderen Augen durch das Kellergewölbe des Archivs und erinnert sich. Doch es gilt auch die junge Generation zu erreichen und für die „Schatztruhe Deutsches Kabarettarchiv“ zu begeistern. Zu vermitteln, dass sich das „Damals“ vom „Heute“ gar nicht so unterscheidet. Und doch auch wieder sehr. Und das das Kennenlernen vom „Damals“ eine äußerst spannende Sache sein kann. Zum Beispiel im Vergleich mit dem „Heute“.
Letztendlich ist die Satire, seine Erscheinungsform durch alle Zeitabläufe hindurch, ein Stück unserer Kulturgeschichte. Die Welt ist schneller geworden. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich Menschen in den sozialen Medien anonym beschimpfen und mit Hass und Häme überziehen. Gute Satire hingegen wird immer versuchen, sich von diesen Tendenzen nicht blind mitreißen zu lassen, weil gute Satire etwas verbessern will — das war früher so und gilt auch heute noch. Satire hat Grenzen. Aber jeder zieht sie woanders, jeder ist irgendwo „politisch korrekt“. Die Welt ist verrückter geworden. Politiker werden Komiker und Komiker werden Politiker. Das macht es für Satiriker ungleich schwerer, weil satirische Stilmittel wie Übertreibung, Verfremdung oder Provokation u.a. auch von Populisten missbräuchlich eingesetzt werden.
Spaß ohne Staub – Wie es wird + -
Das Deutsche Kabarettarchiv ist so viel mehr als verstaubte Akten, Wollmäuse, die über den Boden fliegen und verstorbene Künstler*innen in Ordnern und auf Datenträgern. Es ist ein Archiv, ja. Aber auch ein Museum über das Kabarett und kabarettverwandte Themen. In jedem Falle ist es eine Informations‑, Veranstaltungs- und Begegnungsstätte. Hier darf nach Herzenslust der Wissensdurst gestillt, gelacht, gestaunt, gequatscht, geschimpft, diskutiert, sich angeregt und wohlgefühlt werden. Man trifft sich spätestens an der Kabarett-Bar. Wir Menschen sind soziale Wesen, die die Gemeinschaft und die Wertschätzung anderer brauchen. Deshalb wird es das Bedürfnis nach Live-Erlebnissen immer geben. Und deshalb soll das Archiv für alle, die diesem besonderen Bühnengenre Kabarett wie auch immer zugeneigt oder nur irgendwie darauf neugierig sind, ein Ort sein, der — wenn möglich mit allen Sinnen — zeitgemäß erlebbar ist.
Aktuelle Veranstaltungen in Mainz
Aktuelles
Derzeit im Museum
Aktuelle Ausstellung
bis 26. Januar 2024

Wanderausstellungen
Das Deutsche Kabarettarchiv hat in den letzten Jahren 8 Wanderausstellungen entwickelt und damit die eigene Forschung international präsentiert. Diese Ausstellungen „wandern“ regelmäßig durch Deutschland sowie in das europäische und außereuropäische Ausland. Zudem zeigt das Kabarettarchiv Sonderausstellungen.
Die Beschreibung einer Ausstellung finden Sie bei den jeweiligen Einträgen. In der Regel umfasst jede Ausstellung 25–26 Klapprahmen (je 70x100).
Die Wanderausstellungen des Deutschen Kabarettarchivs können gemietet werden. Bei Interesse, können Sie uns gerne kontaktieren und sich über
die Entleihbedingungen informieren.
Unsere Wanderausstellungen
100 Jahre Kabarett
Dokumentation der Geschichte des Kabaretts des 20. Jahrhunderts in 6 Teilen
Satire & Justiz
Hier wird die schwierige Beziehung zwischen Justitia und der auf Kunst- und Meinungsfreiheit bestehenden Satire im zwanzigsten Jahrhundert dargestellt.
Getrennt Gespottet Gemeinsam Gelacht
Ausgewählte Programmplakate ost- und westdeutscher Ensembles und Solisten von 1949 bis 1990
Apéritif im Archiv
Ob sie funktioniert, diese Verwandlung vom kleinen, blinden Erdreich-Buddler zum erhaben, majestätischen König der Lüfte? Dummerweise hat Baudelaire keinerlei Aussage darüber getroffen, wieviel des Weines es bedarf, um Zeuge dieses Zaubers zu werden.
Sei´s drum. Inmitten des Archivs bietet Ihnen eine ganz eigene Retro-Bar auf engstem Raum den schönsten Platz zum Verweilen und Genießen. Nicht jedes bartypische Getränk ist erhältlich, aber vor ihrem Tresen stellt sich das Gefühl ein, Gast unter Freunden zu sein. Belebt von einer Galerie kluger Künstlerköpfe, umrahmt von idealer Architektur, kommt man mit jedem Gegenüber ins Gespräch. Tauscht Wiedersehensfreude oder Erinnerungen aus. Ob an die Kleinen und Großen des Genres, oder solche persönlicher Art, was auch immer, man kann sich kaum der beschwingten Stimmung im Gewölbe entziehen. Charmanter Service, ausgewählte Barmusik, beflügeln ebenso wie der Blick über Fotowände, bis in die Tiefe des Archivs, hin zur prominenten Arche-Bühne, welche die Signaturen der „Sterne der Satire“ im Hintergrund hell erleuchten lässt wie ein warmes Licht das Ende eines Tunnels. Symbolik pur. An den Bistrotischen genießen Gäste die einmalige Atmosphäre dieser musealen Räume als wären sie in einer jenseitigeren und dennoch vertrauten Welt.
Dieses Flair können Sie auch für Ihre Gesellschaft buchen! Mind. 60, max. 80 Personen. Mit einem Vortrag zur Archiv- und Kabarettgeschichte, einem künstlerischen Programm oder einem Ausstellungsbesuch. Mit Umtrunk und/oder Catering. Je nach Gusto. Und Geldbeutel.
Führungen
Wenn das Wetter es erlaubt, werden Sie am Symbol der „Sterne der Satire“ in der Mitte des Romano-Guardini-Platzes empfangen.
Der Romano-Guardini-Platz in Mainz ist umgeben vom derzeit geschlossenen Restaurant „Proviantamt“ an der Schillerstraße, dem Institut Français im seitlich anschließenden barocken Schönborner Hof, vom Forum-Theater unterhaus und ehemaligen City-Hilton Hotel an der Münsterstraße, sowie, gegenüber, vom historischen „Proviant-Magazin“ mit dem Mainzer Fastnachtmuseum und eben dem Deutschem Kabarettarchiv im Erdgeschoß. Achtzig „Sterne der Satire“ auf dem etwas anderen „Walk of Fame“ künden von Künstlerinnen und Künstlern, die maßgeblich an der Geschichte von Kabarett und Satire mitgeschrieben haben. Ihre für das Genre herausragenden Leistungen lassen sich jederzeit, wenn Sie mögen, schon vorab per QR-Code, der am Symbol der „Sterne der Satire“ angebracht ist, per Handy erforschen. Oder Sie gehen auf die Internetseite des Deutschen Kabarettarchivs und schauen dort unter der Rubrik „Sterne der Satire“ nach Ihrem Star.
Beim Gang durch die Räume des Archivs erschließt sich Ihnen dann in unterhaltsamer Weise die Kulturgeschichte der Spielform der Satire.
Mehr als zwanzig Personen dürfen es allerdings nicht sein, soll eine Führung ohne Kontaktverlust zum Referenten gelingen.
Kosten
Führungen sind ab 10 Personen innerhalb der Archivöffnungszeiten möglich. 1 Stunde / p. P. 8 € inkl. 1 Glas Sekt.
Führungen zu einem von Ihnen gewünschten Termin außerhalb der Archivöffnungszeiten sind nach Absprache ab 15 Personen möglich.
1 Stunde / p. P. 16 € inkl. 1 Glas Sekt.
Bei höherer Personenzahl (ab 50 Personen) können wir anstatt einer Führung auch einen entsprechenden Bühnenvortrag oder ein Kabarettprogramm organisieren. Die Kosten hierfür sind je nach Aufwand, Künstler:innen und Programmwunsch unterschiedlich.
Catering
Unsere Bar hält immer Kaffee, Mineralwasser, Wein, Sekt oder Erdnüsschen zum Knabbern parat.
Auf Wunsch organisieren wir für Sie aber auch gerne einen Imbiss hinzu wie z.B. “Weck, Worscht, Woi”, “Brezel mit Spundekäs” oder “Kaffee und Kuchen”.
Angebot
Wünschen Sie das Besondere mit dem gewissen Etwas, dann schauen Sie bitte unter „Aperitiv im Archiv“.

Öffnungszeiten
Führungen werden im Rahmen der allgemeinen Archivöffnungszeiten (Mo-Do 9–17 Uhr; Fr 9–14.30 Uhr) angeboten und haben in der Regel eine Dauer von 1 Stunde.
Bitte beachten: An Veranstaltungstagen (Apéro, Abendveranstaltungen o.ä.) finden keine Führungen statt.